Falls du an dieser Stelle einen Liste mit Dingen erwartest, die essentiell für das Stillen sind – fixe Vorgaben, Zeiten, Regeln – so muss ich dich leider enttäuschen. Wenn mich jemand fragt, worauf es beim Stillen ankommt, antworte ich: „Kommt drauf an!“
Warum? Weil es eigentlich ja immer „darauf an“ kommt.
Es kommt immer darauf an
Fragt mich jemand: „Wohin fährst du gern in den Urlaub?“ Ich würde wahrscheinlich spontan durchaus antworten: „Australien!“, aber nach kurzen Nachdenken müsste ich zugeben: „Naja, kommt drauf an. Wenn ich einen einwöchigen Badeurlaub am Meer machen möchte, dann lieber Griechenland. Zum Skifahren fahre ich am liebsten nach Österreich, Rucksackreisen geht in Thailand ganz gut. Und mit den Kindern fahren wir gern auf einen Bauernhof“.
Es kommt eben darauf an – wie lange soll der Urlaub sein? Wie lange darf die Anreise dauern? Will ich Sonnengarantie? Will ich Baden? Sind Kinder dabei? Will ich was erleben/herumreisen?
Pauschale Empfehlungen rund um die Entwicklung und Begleitung von Babys gibt es zuhauf
Wenn es um Babys und Kleinkinder geht, mangelt es nicht an einer ganzen Reihe von eindeutigen Empfehlungen zu den klassischen Eltern Fragen:
Wie viel Gramm soll ein Baby pro Woche zunehmen? Wie lang soll ein Baby schlafen? Wann soll es durchschlafen? Wann und wie soll es mit der Beikost beginnen? Wann trocken werden? Und so weiter.
Beim Stillen ist das nicht anders. Und ich verstehe es so gut, wenn man als Neu-Mama nach all diesen Regeln, Richtlinien und Zahlen nur so giert. Denn man will ja alles richtig machen (und nicht nur richtig, sondern optimal). Im besten Fall erreichen Richtlinien das was sie erreichen sollen: dass man sich an ihnen orientiert. Im schlechten Fall lässt man sich davon verrückt machen weil man irgendwelche Werte nicht erreicht oder einhält.
Eine Richtschnur kann hilfreich sein
Hilfreich ist sicherlich eine Richtschnur, vor allem beim ersten Kind und auch wenn es im näheren Umfeld keine oder wenig Still-Erfahrung und damit wenig Still-Vertrauen gibt.
Ich kann mich noch genau erinnern, wie ich in den ersten Wochen nach der Geburt auf dem Sofa saß, mit meiner neugeborenen Tochter im Arm und das Handy in der anderen Hand und per App stoppte, wie lang sie denn nun an der einen und an der anderen Brust trank. „Mindestens 10-15 Minuten pro Seite, die ersten 8 Minuten kommt nämlich nur dünne Vormilch“ – so lautete die Vorgabe des (babyfreundlich zertifizierten) Krankenhauses. Ich wurde ganz panisch, weil meine Tochter einfach nach 3-5 Minuten aufhörte. Was für ein Erfolg, wenn wir es mal auf 8 Minuten brachten! Meine Gedanken kreisten ständig nur darum, wie ich sie zum weiter trinken motivieren könnte und noch monatelang konnte ich den Gedanken nicht ablegen, dass sie womöglich zu wenig zu essen/trinken bekam, obwohl alle anderen Zahlen und Fakten (Gewichtsverlauf, Ausscheidungen, Fitness etc.) eindeutig eine gesunde Entwicklung zeigten.
Angst ist kein guter Ratgeber
Selbstverständlich haben (z.B.) Zeitvorgaben oder Gewichtstabellen und –kurven eine Berechtigung. Aber zur Beurteilung der individuellen Lage kommt es eben darauf an: wie hoch war das Geburtsgewicht und unter welchen Umständen wurde es gemessen? Wie war der Geburtsmodus? Wie verlief die Gewichtsentwicklung in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt? Wie schnell oder gemütlich trinkt das Baby? Manche Babys sind (aus verschiedenen Gründen) eher schwach und müde und müssen mehr animiert werden, andere sind kräftig und trinken „in einem Schluck“. Auch die Tageszeit und das Alter spielen natürlich eine Rolle: mal wird nur mal so probiert und schnell der größte Hunger/Durst gestillt, mal ausgiebig und lang genuckelt und gekuschelt.
Viele Faktoren beeinflussen die Entwicklung eines Babys.
Worauf kommt es denn nun an beim Stillen?
Aus meiner Sicht: auf maßvolle Gelassenheit, Achtsamkeit und Vertrauen. Darauf kommt es an.
Maßvolle Gelassenheit deshalb, weil Gelassenheit nicht mit Nachlässigkeit verwechselt werden darf. Achtsamkeit, weil man natürlich sein Kind immer im Blick haben, alle Umstände, eben das große Ganze mit in seine Überlegungen und Handlungen einbeziehen sollte. Aber man sollte sich eben auch nicht verrückt machen lassen, von fixen Werten und pauschalen Aussagen. Manchmal (oft 🙂 ) ist „aktives Abwarten“ die bessere Vorgehensweise als hektischer Aktionismus.
Dein Ziel sollte sein: lerne dich und dein Kind kennen und vertraue auf dich und deine Wahrnehmung. Hole dir gute und verlässliche Informationen und lass dich fachlich kompetent begleiten, mit dem Gesamtbild und allen Begleitumständen im Blick. Es ist eure individuelle Stillbeziehung. Eine Beziehung muss wachsen, sie entwickelt sich, sie verändert sich.
Professionelle Begleitung mit ganzheitlichem Blick
Also: hol dir alle Infos, Zahlen und Richtlinien, die du von verlässlichen Quellen bekommen kannst. Und dann schau dich, dein Baby, deine Familie und eure aktuelle Situation an und entscheide dann, wie du weiter vorgehst. Nur du kennst die Gesamtsituation. Vertraue darauf, dass du genau in diesem Moment richtig handelst für dich und dein Baby.
Und wenn du dir dennoch unsicher bist, dann melde dich bei mir, ich begleite dich gerne.